Der Zug folgt der eisernen Spur nach Nordosten. Der Himmel ist wolkenverhangen. Auf den Wiesen und Feldern steht das Wasser, die Bäume an den Ufern der Bäche haben nasse Füße, und das Gesträuch an den Böschungen neben der Bahnlinie wirkt irgendwie modrig und krank. Eine Welt in graubraun. Nichts erinnert an den beginnenden Frühling, und an die jungen Knospen, die ich heute morgen noch im Garten entdeckte.
Vor wenigen Stunden. Ehe ich mich auf den Weg gemacht habe. Jetzt fantasiere ich über eine Welt, die im Regen versinkt. Ich mache mir einige Notizen. Vielleicht wird ja mal eine Geschichte daraus.
Ich bin unterwegs. Auch wenn beim Blick aus dem Wagonfenster der Frühling fern scheint, so verspüre ich, wie viele andere bibliophile Vögel auch, den Drang, nach Leipzig zu ziehen, zur zweitgrößten deutschen Buchmesse.
In diesem Jahr gibt es keine Klagen über die Bahn, die Unterkunft ist in Ordnung, zentrumsnah und trotzdem noch günstig. Leider kein Frühstück. Am nächsten Morgen bin ich deshalb früh unterwegs, nach einem Kaffee beim Bäcker ab zur Messe. Ich bin erstaunt, dass die Linie 16 heute zwar sehr voll ist, sie jedoch nicht wie in den Vorjahren Buchmessebesucher in belesene Dosenwurst verwandelt. Vielleicht hatte ich ja auch nur Glück. Und vielleicht könnte man daraus ja …
Wie viele meiner phantastischen Mitschreiber bin ich gespannt, wie sich die Abwesenheit von WerkZeugs auf die Phatastikecke in Halle 2 auswirken würde. Und schon beim ersten Durchgang gewinne ich das Gefühl, dass unsere literarische Heimat noch tiefer in der hintere Ecke der Messehalle kauert, als schon in den Vorjahren; umrahmt von den Kinder- und Jugendbüchern.
Nach einem kurzen „Hallo“ bei einigen der ausstellenden Verlage zieht es mich zur neuen Autoren-Lounge des PAN. Ich bin ja Mitglied in dem Verein, und so freut es mich umso mehr, endlich einige der Macher und Mitmacher persönlich kennenzulernen, allen voran unsere beiden Vorständinnen Diana und Lena, und natürlich alle anderen auch. Hier treffe ich dann auch den Rest der diesjährigen „AKzwanzig13-in-Leipzig“ Delegation in Person von Henning Mützlitz, und viele weitere geschätzte Kollegen und Kolleginnen; ein so massives Aufeinandertreffen von Phantastikautorenschaft gibt es sonst nur noch beim BuCon im Herbst. Ich stelle mir vor, dass die Luft hier erfüllt ist von Inspirationpartikeln. Wäre das nicht Thema für eine Geschichte?
Es gefällt mir hier … in den nächsten beiden Tagen belaste ich den Kaffeeetat des PAN ganz erheblich.
Zum Abschluss des ersten Messetages wohnen wir noch der Seraph 2017-Verleihung bei und freuen uns mit den Preisträgerinnen Katharina Seck und Julia Lange. Der wie immer überfüllten Preisträgerlesung ziehen wir dann kurzfristig ein Abendessen in geselliger Runde vor. Nicht nur wir haben uns spontan noch dazu eingeladen, im Laufe des Abends wird das Nebenzimmer des „Apels Garten“ voll, und man genießt angeregte Unterhaltungen mit alten und neuen Freunden.
Der Freitag verläuft weitgehend wie der Donnerstag, bis auf die Tatsache, dass jetzt alles schon ein bisschen voller ist. Ich weiß schon, warum ich mir dieses Jahr Samstag und Sonntag spare. Am Abend verlangen meine Füße eine Pause, ich mache mir einen gemütlichen Abend auf dem Zimmer, sinniere über die letzten beiden Tage, mache mir ein paar Notizen.
Am Samstag geht es wieder nach Hause. Wie jedes Jahr trinke ich meinen letzten Kaffee in der Buchhandlung Ludwig im Bahnhof. Der Himmel ist klar, als der Zug den Bahnhof verlässt, und zwischen Leipzig und Nürnberg führe ich eine angeregte Unterhaltung mit meinem Platznachbarn. Dann habe ich noch etwas Zeit, ehe ich zu Hause ankomme. Draußen vor dem Wagonfenster zieht die Welt vorbei, und ich mache mir Notizen über eine ferne Zukunft. Die Menschheit hat sich zu den Sternen aufgemacht … und ging dort verloren. Vielleicht wird einmal eine Geschichte daraus.
Kleiner Nachschlag: Mangamädchen riechen nach Klebstoff
Ein Artikel beim sonst von mir geschätzten SWR („Kein Ort für nackte Hasen“), dessen Autor sich über die Anwesenheit der Cosplayer auf der „ernsthaften“ Buchmesse echauffierte, führte zu einem mittelschweren Beben, nicht nur bei den Mangafreunden und Cosplayern, sondern in der gesamten Phantastik-Szene.
Ich verbrachte in diesem Jahr einige Zeit in Halle 1, also der Manga- und Comic-Convention, und ich gestehe, dass mir vieles, speziell in der Manga- und Cosplayer-Szene, fremd bleiben wird und schräg bis skurril erscheint. Nun, ich mag „schräg und skurril“. Außerdem bin ich ja ein bekennender Fan der Filme des Studio Ghibli, und wer ernsthaft „Die letzten Glühwürmchen“ als bloß einen Anime … ok, ich schweife ab. – In Halle 1 lauschte ich beim „Schwarzen Sofa“ unter anderem Menschen, die ihre Erlebnisse mit Neonazis in Comicform verarbeitet haben, und erfuhr, dass das „Bundesamts für magische Wesen“ keine Nonsensplattform ist. Ich könnte hier noch vieles dazu sagen, aber dann wird dieser Beitrag nie fertig …
… und meine geschätzte Kollegin Lena Falkenhagen hat bei TOR.Online („Die Arroganz der grauhaarigen alten Männer“) alles wunderbar auf den Punkt gebracht. Ich kann mich ihren Worten nur anschließen. Auch die Leipziger Buchmesse hat ein klares Statement dazu HIER abgegeben.
Ansonsten hat das Thema mich zu dieser „Unter-Überschrift“ verleiten lassen, welche die Kernerkenntnis meines letztjährigen Messebesuchs darstellt, als ich das Etagenbad im Hotel mit einer Horde Cosplayer/Innen teilen durfte.
Und sonst?
Nichts.
Wie bitte?
Ja, das wars. Mangamädchen kommen in diesem Blogeintrag nicht vor. Sorry. Man möge mir die Effekthascherei verzeihen. Aber vielleicht wäre auch das Stoff für eine Geschichte …